Ordinalzahlen sollen Mengen sein.
Wie kann man, für eine gegebene Kardinalzahl (Menge) M
einen Nachfolger M' definieren? Man könnte natürlich
einfach ein weiteres Element in die Menge legen, nur welches
Element, wo nehmen wir es her? Es soll ja nicht schon in M liegen!
Die natürlichen Zahlen, selbst die
reellen Zahlen könnten vielleicht einmal aufgebraucht sein
(wenn wir das Nachfolger-Spiel nur genügend lang weiterspielen).
Wie wär's mit M'= M È {M}?
Das bedeutet, daß alle Elemente der entstehenden Ordinalzahlen
wieder Mengen, sogar Ordinalzahlen, sind. 0,1,2,3,... wären
(und sind für die Dauer dieses Kapitels) Mengen, und wir
erhalten
1 = 0' = {0},
2 = 1' = {0,1},
3 = 2' = {0,1,2}, usw.
bzw. eingesetzt
1 = {0},
2 = {0,{0}
},
3 = {0,{0},
{0,1}},
4 = {0,{0},{0,1},
{0,1,2}}, ... also
1 = {0},
2 = {0,{0}},
3 = {0,{0},{0,
{0}}},
4 = {0,{0},{0,
{0}},{0,
{0},{0,
{0}}}}, ...
Es bleibt eigentlich nur noch die "0" übrig.
Sie soll auch eine Menge sein---die einfachste Menge ist
natürlich die leere Menge Æ, weshalb
wir 0 := Æ setzen.
Ordinalzahlen
Bei obiger Konstruktion ist nicht klar, wie "lange" man das
Nachfolger-Spiel betreiben kann oder muss. Die Menge
N={0,1,2,...} aller natürlicher Zahlen
ist etwa nicht unmittelbarer Nachfolger einer Ordinalzahl, trotzdem soll
es eine Ordinalzahl sein.Deshalb wollen wir
Ordinalzahlen über den Begriff der transitiven Menge definieren.
Eine Menge X ist transitiv wenn jedes Element von X eine Teilmenge von X ist. |
Beispiele von transitiven Mengen sind {Æ,{Æ}} oder auch { Æ, {Æ}, {{Æ}}, {{{Æ}},{Æ}} }
Eine Ordinalzahl ist eine transitive Menge, bei der auch jedes Element transitiv ist. |
Mit obiger Interpretation 1 = {Æ}, 2 = {Æ,{Æ}}, 3 = {Æ,{Æ}, {Æ,{Æ}}}, ... der natürlichen Zahlen durch transitive Mengen betrachten wir die (transitive) Menge N aller natürlichen Zahlen. Sie ist eine Ordinalzahl. In der Theorie der Ordinalzahlen verwendet man meistens den Buchstaben w statt N, um die Ordinalzahl von der Kardinalzahl zu unterscheiden.
Nun haben wir schon die Ordinalzahlen 0, 1, 2, ... , w. Weitere Ordinalzahlen finden wir wieder durch die Nachfolgerkonstruktion, denn es gilt:
Ist X eine Ordinalzahl, so auch die Menge X' := X È {X}. |
Beweis: Wir betrachten eine Element A von X'. Ist A Element von
X, so ist es wegen der Transitivität von X
auch Teilmenge von X; X Í X' impliziert
dann A Í X'.
Da X Teilmenge von X' ist, ist der Fall A = X auch klar.
Deshalb ist X' transitiv.
X ist transitiv. Jedes weitere Element von X' ist, als Element von X, ebenfalls transitiv. |
X + 1 := X' := X È {X}. |
Deshalb ist w + 1 = w È {w} wieder eine Ordinalzahl. Genauso kann man weitere Ordinalzahlen w+2 := w+1+1, w+3 := w+1+1+1, ... bilden. Man prüft leicht nach, daß die Menge aller bisher konstruierten Ordinalzahlen 2w := {0,1,2,..., w, w+1, w+2, ...} wieder eine Ordinalzahl ist. Man konstruiert weiter und findet 2w+1, 2w+2, ... , mw+k, ... .
Bisher benutzten wir zwei Konstruktionsmethoden: Manche Ordinalzahlen sind Nachfolger von anderen Ordinalzahlen, während andere diese Eigenschaft nicht haben.
Eine Limeszahl ist eine Ordinalzahl, die nicht unmittelbarer
Nachfolger einer anderen Ordinalzahl ist.
Vergleich von Ordinalzahlen
Ordinalzahlen haben offensichtlich eine lineare Struktur.
Sind sie also linear geordnet? Vorsicht, das macht keinen Sinn,
die Menge aller Ordinalzahlen gibt es nicht. Aber wir werden sehen,
daß jede Ordinalzahl eine Menge von Ordinalzahlen ist,
die sogar wohlgeordnet ist.
Jedes Element einer Ordinalzahl ist wieder eine Ordinalzahl. |
Beweis: Sei M Ordinalzahl und A Î M. Da M Ordinalzahl ist, ist A transitiv. Sei B Î A. Da M transitiv ist, folgt B Î M und B ist deshalb auch transitiv. |
Wir definieren für eine Menge (von Mengen) M eine Relation "=Î" durch A =Î B falls A = B oder A Î B gilt.
Für jede Ordinalzahl M ist "=Î" eine Wohlordnung auf M. |
Beweis: (1) Transitivität folgt aus Obigem,
Reflexivität aus der Definition der Relation.
Antisymmetrie ergibt sich aus der Eigenschaft
daß eine Menge sich nie selbst enthalten kann (
Dies folgt aus dem sogenannten
Fundierungsaxiom der Axiomatischen Mengenlehre,
das besagt, daß jede nichtleere
Menge M eine Element a enthält, das zu M disjunkt ist.
Für jede Menge A können wir,
wieder mit Axiomen der Mengenlehre, die
Menge {A} bilden. Mit dem Fundierungsaxiom ist
A Ç {A} = Æ,
also A Ï A.
). Seien also A ¹ B
Î M
mit A Î B und B Î A.
Da M Ordinalzahl ist, muß A transitiv sein, also
A Î A, ein Widerspruch.
(2) Die Wohlordnungseigenschaft ist etwas schwieriger zu beweisen. |
Ordinalzahlen sind (modulo Isomorphie) gerade die wohlgeordneten Mengen:
Jede wohlgeordnete Menge ist zu
(genau einer) Ordinalzahl isomorph.
Beweis durch transfinite Induktion. |
Die Ordinalzahlen vom Typ mw+k (k,m Î N) sind alle gleichmächtig wie w, aber alle verschiedene Ordinalzahlen. Während also Ordinalzahlen und Kardinalzahlen sich im Endlichen entsprechen, sind die Ordinalzahlen im Unendlichen wesentlich feiner als die Kardinalzahlen.