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2.4 Mannigfaltigkeiten

Eine Verallgemeinerung der Topologie von Flächen wurde von B. RIEMANN eingeführt: er übertrug die Resultate in sog. höherdimensionale Räume, dachte dabei mehr in Termen fester geometrischer Eigenschaften und prägte die Idee der Mannigfaltigkeit.

Ich sollte nun besser erst einmal erklären, was Mathematiker mit dem n-dimensionalen Raum überhaupt meinen.

Die Idee ist, daß die Ebene gedacht werden kann als Menge von Punkten mit zwei Koordinaten (x, y), wobei x und y reelle Zahlen sind, der 3-dimensionale Raum wird entsprechend durch Tripel (x, y, z) beschrieben, der 4-dimensionale Raum durch Quadrupel (x, y, z, u) usw. Das ist alles. - Es könnte nicht einfacher sein. Und man brauchte beinahe 3000 Jahre, um zu sehen, wie offensichtlich alles ist.

Eine Fläche, gekrümmt und beliebig kompliziert, kann man sich als eine Menge kleiner runder Flicken vorstellen, die zusammengeklebt werden; und topologisch gesehen ist jeder kleine Flicken (jede Elementarfläche) eine gewöhnliche Euklidische Ebene. Und es ist nicht diese lokale, flickenähnliche Struktur, die das ganze Gebilde (ähnlich dem Loch im Torus) erzeugt, sondern es ist der globale Weg, all die Flicken zusammenzusetzen. Einerseits sieht man nun, daß der Schritt zur Dimension n einfach ist: man hat nur aus dem n-dimensionalen Raum herausgeschnittene Flicken anstelle derjenigen aus der Ebene zu nehmen und zusammenzusetzen.

Aber ein paar technische Schwierigkeiten bringt das schon mit sich und deshalb hat es bis in die 30er Jahre unseres Jahrhunderts niemand getan; aber der Weg ist klar. Schließlich entsteht so die n-dimensionale Mannigfaltigkeit. Es gibt viele seriöse Gründe, möglichst viel über Mannigfaltigkeiten wissen zu wollen. Zum Beispiel ist die Bewegung von 3 Körpern unter Gravitationseinfluß tatsächlich eine Frage über eine 18-dimensionale Mannigfaltigkeit: nämlich mit 3 Positionskoordinaten und 3 Geschwindigkeitskoordinaten je Körper.

Der Mathematiker möchte mit Mannigfaltigkeiten das gleiche tun, was bereits für Flächen und Knoten beschrieben wurde, nämlich:

  1.   Er möchte entscheiden, wann zwei Mannigfaltigkeiten topologisch äquivalent sind (oder wann nicht).
  2.   Er möchte alle möglichen Mannigfaltigkeiten klassifizieren.
  3.   Zu finden sind weiter alle verschiedenen Wege, eine Mannigfaltigkeit in eine andere einzubetten (ähnlich einem verknoteten Ring im 3-dimensionalen Raum).
  4.   Er möchte entscheiden, wann zwei solcher Einbettungen gleich sind und wann nicht.

Die ersten beiden Probleme sind schwer genug zu entscheiden, die Probleme 3 und 4 aber sind noch schlimmer. Allerdings wurden inzwischen innerhalb der Mathematik große Fortschritte gemacht.

Die Punkte 1 und 2 könnten wir genauer studieren; im Fall 3 ist die Geschichte ziemlich verfahren. Kürzlich wurde eine Antwort auf die Frage gegeben, wann zwei 50-dimensionale Kugeln im n-dimensionalen Raum verbunden werden können. Dabei soll ''verbunden'' heißen, daß sie nicht durch topologische Transformationen des umgebenden Raumes separiert werden können. Die Antwort ist sehr diffizil: Für n>102 geht das Verbinden nicht, für n=101, 100, 99, 98 geht es dagegen. Überraschenderweise geht es wieder nicht für n=97 und n=96. Und so geht der Prozeß weiter bis zu n=52. Das scheint verrückt zu sein. Aber so zeigt sich Topologie nun einmal.


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Prof.Dr.M.Froehner
Fri Apr 4 15:14:00 MDT 1997