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Anwendung von Fourier-Reihen zur Lösung von Differentialgleichungen

 

Fourierreihen können zur Lösung partieller Differentialgleichungen benutzt werden. An einem einfachen Beispiel erläutern wir die Vorgehensweise für die Gleichung der schwingenden Saite.

Beispiel: Wir betrachten einen ''frei verbiegbaren'' Faden, der an den Enden eingespannt ist. Die vertikale Auslenkung des Fadens bezeichnen wir mit , wobei x die Ortsvariable und t die Zeit bedeuten. Die Auslenkung

y und der Winkel bzgl. der x-Achse seien ''klein'' im Verhältnis zur Länge l. Aus nebenstehender Skizze geht hervor, daß unter diesen Voraussetzungen kleiner Auslenkungen die Beziehung


benutzt werden kann. Somit läßt sich für das angegebene ''technische'' Modell ein sog. Anfangs-Randwertproblem formulieren:

    

Gesucht ist also eine solche Funktion , die im Inneren des Gebietes der Differentialgleichung (1.23a) genügt und am Rand die sog. Randbedingungen (1.23b) und die Anfangsbedingungen (1.23c) erfüllt. Als Verträglichkeitsbedingung setzen wir voraus.

Lösung: Ansatz für die Lösung:

 

Durch Einsetzen in die Differentialgleichung erhält man für die beiden jeweils nur von einer Variablen abhängenden Funktionen und die folgende Beziehung, die offensichtlich für beliebige x und t erfüllt und demzufolge konstant sein muß (BERNOULLIscher Separationsansatz):

Damit hat man zwei gewöhnliche Differentialgleichungen zu lösen:

  

Die allgemeine Lösung erhält man in beiden Fällen nach der bekannten Ansatzmethode; Konstanten werden durch bezeichnet:

   

Die Gleichung (1.27b) muß die Randbedingungen (1.23b) erfüllen. Wegen gilt C=0. Würde man aus der Bedingung am rechten Rand D=0 als einzige Möglichkeit zulassen, würde sich nur die triviale Lösung ergeben. Deshalb werden Lösungen mit der Eigenschaft gesucht

Die (unendlich, aber immer noch abzählbar vielen) Lösungen

entstehen aus der Gleichung

 

Der Ausdruck wird als Differentialoperator bezeichnet, wobei alle zur Konkurrenz zugelassenen Funktionen, auf die dieser Operator angewendet wird, sog. homogene Randbedingungen erfüllen müssen. Die Gleichung (1.30) nennt man in Analogie zu den in der linearen Algebra für Matrizen und Vektoren eingeführten Beziehungen Eigenwertproblem.

Wir setzen jetzt die beiden Lösungen (1.27a) und (1.27b) für alle k zusammen und können wegen der Linearität eine Superposition vornehmen:

 

Zunächst nehmen wir an, daß die Reihe (1.32) konvergiert. Wir passen die (bisher noch nicht näher bestimmten) Koeffizienten durch die Anfangsbedingungen (1.23c) an. Zunächst gilt:

 

Für t=0 folgt damit aus (1.32) und (1.33)

   

Falls nun die gegebenen Funktionen und den Bedingungen für die Entwicklung einer Fourier-Reihe genügen, errechnet man

 

Damit erhält man als Lösung der Differentialgleichung nach elementaren Umformungen

Setzt man noch die Fourier-Koeffizienten ein und bezeichnet die Stammfunktion von durch , so läßt sich die Lösung in der sog. d'ALEMBERTschen Form schreiben:

Damit ist die Lösung für die Saitenschwingungsgleichung vollständig ermittelt.

In einem weiteren Beispiel deuten wir das Vorgehen bei der Spannungsberechnung eines Trägers an. Da die gesamte Aufgabe sehr umfangreiche Rechnungen erfordert, brechen wir das Beispiel nach einer kurzen Einführung ab.

Beispiel: Ein langer, dünnwandiger Träger der Breite b und der Höhe h mit sei durch gleichabständig angeordnete Auflager abgestützt und werde an der Oberkante durch eine konstante Flächenlast der Intensität belastet. Das Schema werde durch folgende Skizze veranschaulicht. Gegeben seien außer den genannten Größen auch der Abstand der Stützen l und die Breite der Auflagen a.


Gesucht sind

Lösung: Der Träger wird als sehr lang vorausgesetzt, deshalb haben die Ränder keinen (wesentlichen) Einfluß auf die Spannungsverteilung bei x=0 und . Das Modell entspricht einer unendlich ausgedehnten, streifenförmigen Scheibe. Da die Stützen einen geringen Abstand haben, ist die Anwendung der Balkentheorie nicht möglich.
Wir zerlegen den Zustand in 2 Belastungsfälle:
Belastungsfall I:

Es liegt einachsiger Druck vor; die Spannungsfunktion erfüllt die Randbedingungen bei y=0 und y=h: , .

Belastungsfall II: Gleichgewichtsbedingung:

Die sprunghaft wechselnde (d.h. unstetige) Belastung am unteren

wird in eine FOURIER-Reihe entwickelt, wobei für das gewählte Koordinatensystem Symmetrie bzgl. der y -Achse vorliegt.
Als Ansatz wählen wir (gerade Funktion !)

mit

Durch Integration errechnet man ohne größere Mühe die Koeffizienten:

Setzen wir noch , so gilt

und somit als Fourier-Reihe die Darstellung

Die Randbedingungen des vorliegenden Belastungsfalles haben folgende Gestalt

     

Die AIRYsche Spannungsfunktion ist Lösung der biharmonischen Differentialgleichung

die - um die Randbedingung (1.41d) zu erfüllen - einem Ansatz der Form

genügen muß. Ein Separationsansatz (ähnlich dem vorhergehenden Beispiel) führt auf die gewöhnliche Differentialgleichung 4. Ordnung mit konstanten Koeffizienten für die Variable y:

mit der allgemeinen Lösung (vgl. Grundkurs Mathematik; zu beachten ist, daß Nullstellen des zugeordneten charakteristischen Polynoms die Vielfachheit zwei haben)

Mit den Randbedingungen (1.41a) und (1.41b) erhält man für die Spannungsfunktion

Es schließt sich die Berechnung der Spannungen als eigentlich interessante Aufgabenstellung an; wir verzichten jedoch auf die Wiedergabe der zwar umfangreichen, aber weitgehend elementaren Schritte der Anpassung und Zusammensetzung von Integrationskonstanten, Fourier-Koeffizienten und Lösung.

Für weitere Einzelheiten verweisen wir auf das Arbeitsbuch ''Höhere Festigkeitslehre'', herausgegeben von einem Autorenkollektiv unter Federführung von H. GöLDNER und erschienen im Fachbuchverlag Leipzig.



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M. Froehner
Thu Apr 3 13:22:55 MET DST 1997