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2 Verwirrungen um Knoten - etwas Topologie

''Für mich ist das einfache Auflösen eines Knotens ein Abenteuer im unbeschränkten Raum. Ein wenig Bindfaden gebiert eine gewaltige Menge neuer Objekte, was einzig auf die Eingangsgrößen zurückgeht. Eine einfache Litze, ein einfaches, leicht handhabbares Objekt, das für viele praktische Zwecke geeignet ist, besitzt die Dimension eins. Wenn wir diese einfache Litze in der Ebene bewegen, können wunderschöne und sogar nützliche Objekte entstehen, die praktisch die Dimension zwei besitzen. Und wenn wir zu unserem Faden eine Ebene mit einer dazu unterschiedlichen Ausrichtung wählen, können wir das Spiel fortsetzen, immer neue Dimensionen erhalten und Grenzen sind uns nur durch den zur Verfügung stehenden Abbildungsraum und die Garnspule des Seilers vorgegeben.

Was kann wohl interessanter sein?''

Clifford W. Ashley

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts glaubte man allgemein in Europa, daß magische Knoten einen Bräutigam verzaubern könnten und von der Vollendung einer Hochzeit abhalten könnten. 1705 wurden zwei Menschen in Schottland hingerichtet, weil sie 9 magische Knoten nutzten, um sich in das eheliche Glück eines Mr. Spalding von Ashintilly einzumischen.

Knoten sind ein Sinnbild des Mysteriösen, etwas Geheimnisvolles. SHAKESPEARE kannte unsere Kapitelüberschrift nicht und hatte sich auch nicht mit Topologie im mathematischen Sinne auseinandergesetzt, als er in seiner Komödie ''Die zwölfte Nacht'' (bekannter vielleicht als ''Was ihr wollt'') sagen läßt:

''Oh Zeit! Sie muß entwirren dies, nicht ich;
Es ist zu schwer für mich, den Knoten hier zu lösen.''

Mathematiker fanden Probleme heraus, die mit Knoten in Verbindung standen und ziemlich schwierig zu lösen waren und sie fanden weiter, daß ihre höherdimensionalen Analoga gleiche Eigenschaften besaßen. Im Laufe der Zeit haben sie begonnen, das Dickicht zu entwirren und eine allgemeine Theorie zu schaffen. Aber bis heute blieben auch einige Fragen unbeantwortet; eine davon ist die sogenannte POINCAR`E-Vermutung.

Mathematiker sind vorwiegend an topologischen Eigenschaften von Knoten interessiert; das beinhaltet die Frage, was unter stetigen Deformationen übrigbleibt. Das ''Verknotetsein'' selbst ist die grundlegendste Eigenschaft davon. Topologie wird häufig beschrieben als ''Gummihäutchen-Geometrie''; diese zaubert gerade dann das richtige Bild hervor, wenn es an technischer Genauigkeit mangelt. Knoten sind die nächste (unmittelbarste) topologische Natur von Kurven im Raum. Nach Kurven kommen Flächen, nach Flächen mehrdimensionale Verallgemeinerungen, sogenannte Mannigfaltigkeiten. Mathematiker, die sich mit Topologie beschäftigen, studieren diese, und darüber hinaus eine breite Vielfalt anderer Räume. Topologie ist das Studium des tiefgründigen Zusammenhangs des Begriffes Stetigkeit; und diesen Begriff der Stetigkeit trifft man fast überall an. Im Ergebnis wird Topologie zu einem Eckstein der Mathematik; gegenwärtig beginnt sie auch in angewandten Wissenschaften eine prominente Rolle zu spielen, besonders in der mathematischen Physik.

Ein solcher langfristiger historischer Ausblick ist eigentlich nicht verwunderlich, weil viele Wurzeln der Topologie aus den Anwendungen kommen. Allerdings war in der Entwicklungsperiode der Topologie, etwa von 1920 bis 1970, eine Vielzahl von Darstellungen sehr abstrakt, und die meisten Menschen verloren den Blick für potentielle Anwendungen.




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Prof.Dr.M.Froehner
Fri Apr 4 15:14:00 MDT 1997